20070 Kronke, Emil

CPO 555390-2
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Suite im alten Stil op. 164

für 2 Flutes and Piano

Georg Abraham Schneider wurde in Darmstadt am 19. April 1770, also im gleichen Jahr wie Beethoven geboren. Da sich seine musikalische Begabung schon sehr früh zeigte, schickte ihn sein Vater zu J.W. Mangold, einem „sehr geschickten Stadt-musikus“, in die Lehre, wo er mit Ausnahme des Klaviers alle Instrumente erlernte. Als Siebzehnjähriger wurde er Mitglied der Darmstädter Hofkapelle und nahm gleichzeitig Kompositionsunterricht. Nach einer Bildungsreise nach Rheinsberg wurde er von Prinz Heinrich von Preußen, dem jüngeren Bruder Friedrichs des Großen, als Hornist für die Rheinsberger Kapelle verpflichtet. Das Engagement in Rheinsberg, wohin er 1795 übersiedelte, war allerdings auf wenige Aufgaben beschränkt, sodass er noch reichlich Zeit fand, sich dem Komponieren zu widmen. Zahlreiche seiner Instrumentalkompositionen entstanden in Rheinsberg und erschienen ab 1799 auch bei verschiedenen namhaften Verlagen im Druck. Als nach dem Tod des Prinzen 1802 die Kapelle aufgelöst wurde, gingen Schneider und sein Kollege Bötticher, der ebenfalls ein brillanter Hornist war, zusammen nach Berlin, wo sie zunächst bei gelegentlichen Opernaufführungen in der Hofkapelle aushalfen. Die außerordentlichen Fähigkeiten der beiden Hornisten führten aber schon in kurzer Zeit zu einer Festanstellung in der Königlichen Kapelle. Auch als Musiklehrer machte Schneider sich in Berlin schnell einen Namen. In einem Klima kultureller Aktivitäten des aufkommenden Bürgertums, aufbauend auf die von Karl Friedrich Christian Fasch gegründete und von Carl Friedrich Zelter weitergeführte Berliner Singakademie, die als der Beginn des bürgerlichen Musizierens in Berlin betrachtet werden kann und zum gehobenen Lebensstil der Berliner avancierte, fielen die Aktivitäten Schneiders auf fruchtbaren Boden. Die drei Standbeine, Mitglied der Königlichen Kapelle, die Tätigkeiten als Komponist und Musiklehrer sicherten Schneider und seiner Familie ein gesichertes Einkommen, der Name  Schneiders bekam in Berlin einen guten Klang.

Dieser aufstrebenden Karriere setzten allerdings die geschichtlichen Ereignisse mit der Besetzung Berlins 1806 durch die Franzosen ein jähes Ende. Das kulturelle Leben kam komplett zum Erliegen, König Friedrich Wilhelm III. musste mit seiner Familie vor den Truppen Napoleons nach Königsberg fliehen. Schneider verlor seine Anstellung in der Königlichen Kapelle und damit einen wichtigen Pfeiler seiner Existenz. Aufgrund seines inzwischen gewachsenen Ansehens konnte er zunächst als Komponist, Lehrer und Konzertunternehmer die größte Not für sich und seine Familie abwenden, auch wenn er nach und nach in finanzielle Not geriet und seine Wohnung aufgeben musste. Aufgrund der politischen Situation waren zu dieser Zeit viele Musiker gezwungen, auf Konzertreisen ihren Unterhalt zu verdienen. Auch Schneider spielte mit dem Gedanken, Berlin aufzugeben und sich anderweitig nach einer Anstellung umzusehen und begab sich zwischenzeitlich ebenfalls auf Konzertreisen. Ein an Goethe gerichtetes Empfehlungsschreiben Carl Friedrich Zelters, der große Stücke auf Schneider hielt, gibt uns Einblick in die Situation, in der sich Schneider befand: „Ein Musicus aus der Königlichen Capelle Namens Schneider, der sich nicht länger hier durchbringen kann, macht mit seiner Frau eine musikalische Reise und wird über Weimar gehen. Er hat mich um einen Brief an Sie gebeten um Ihr Angesicht zu sehn, den ich ihm jedoch nicht gegeben habe, weil ich wußte, daß Sie nicht in Weimar sind. Er ist ein geschickter Waldhornist und hat eine Menge artiger Stücke componiert, worunter auch eine Deutsche kleine Oper ist. Er hat sich recht gefällig gegen Eberwein bewiesen, wie er denn überhaupt unter seines Gleichen ein wahrer Phönix ist. Da er keinen Brief hat, wird er sich persönlich bei Ihnen melden. Wollen Sie ihn sehn und allenfalls Ihre Genehmigung geben, daß ihn das Weimarer Orchester unterstütze, im Fall er ein Concert geben wollte, oder gar ihm behülflich seyn seine kleine Oper auf Ihrem Theater hören zu lassen; so werden Sie ihn gewiß beglücken. Sein hübsches Frauchen ist eine meiner Schülerinnen und hat eine schöne Stimme, aber sie ist sehr furchtsam und ohne Routine.“ Über eine mögliche Begegnung zwischen Schneider und Goethe ist leider nichts überliefert.

Versuche, das Opernorchester und die Königliche Hofkapelle im zweiten Jahr nach der Besetzung in Berlin zu reaktivieren, scheiterten an der desolaten wirtschaftlichen Lage. Erst mit der Rückkehr des Königs 1809 nahmen die Pläne einer Neuorganisierung der Preußisch Königlichen Hofkapelle konkrete Formen an, die schließlich 1811 in der Zusammenlegung von Opernorchester und Hofkapelle mündeten. Schneider erhielt sofort einen Anstellungsvertrag und den Titel „Königlicher Kammermusiker“. Allerdings kollidierten die nun täglichen Orchesterdienste mit seinen Ambitionen als Komponist und Konzertveranstalter. Da Schneiders Frau und seine Kinder inzwischen ebenfalls begonnen hatten, als Sänger musikalische Karrieren zu machen und die Familie aufgrund verschiedener Engagements zeitweise getrennt wurde, nahm Schneider 1813 das Angebot an, in Reval, dem heutigen Tallin, als Musikdirektor das dortige Theater zu leiten, wo seine Kinder ebenfalls engagiert wurden, ohne allerdings seine Stellung in Berlin aufzugeben. Man gewährte ihm einen anderthalbjährigen Urlaub. Die Jahre in Reval als Musikdirektor und Dirigent waren für Schneider äußerst fruchtbar und lehrreich. Er erwarb dort das Handwerkszeug für alle Bereiche, die der Opernbetrieb erfordert. Erst nach Streitigkeiten am Theater in Reval, entschied sich Schneider mit seiner Familie nach Berlin zurückzukehren. Das Konzertpublikum bedauerte den Abgang Schneiders allerdings außerordentlich.  1820 trat Schneider die Nachfolge Rombergs als Musikdirektor der Königlichen Schauspiele an. Dort trat er vorwiegend als Dirigent auf und übernahm schließlich auch die Leitung der angegliederten Musikschule. Als 1833 die Preußische Akademie der Künste gegründet wurde, wählte man Schneider zum Mitglied. Bis zu seiner Pensionierung 1837 unterrichtete er dort Komposition und starb nur ein Jahr später am 19. Januar 1839 nach längerer Krankheit.

Der Komponist Schneider ist ein Vertreter des Geistes von Haydn und Mozart, der als deren Bewahrer verstanden sein wollte. Man bescheinigte ihm in den Kritiken satztechnisches Können und eine gediegene Kunstfertigkeit, die dem bürgerlichen Zeigeschmack verpflichtet war. Eine zuverlässige Übersicht über sein umfangreiches Werk, das so gut wie alle Gattungen abdeckt, liegt noch nicht vor. Auch erschwert die Tatsache, dass verschiedene Werke Schneiders mit der gleichen Opuszahl bei unterschiedlichen Verlagen veröffentlicht wurden, den Überblick. Sehr erfolgreich waren seine Instrumentalkompositionen, weniger erfolgreich sein Schaffen als Opernkomponist. Auffallend viele Kompositionen hat Schneider für Flöte geschrieben, neben vier Flötenkonzerten u.a. ca. 90 Flötenduette, 60 Quartette für Flöte und Streichtrio. Die meisten seiner Kammermusikwerke sind in seinen Rheinsberger Jahren komponiert worden.  Nach Schneiders eigenen Angaben entstanden hingegen die meisten seiner Instrumentalkonzerte in den Krisenjahren zwischen 1806 und 1813, also in Berlin.

Das Flötenkonzert G-Dur op. 12 dürfte aber noch in Rheinsberg entstanden ein. Darauf deuten neben der niedrigen Opuszahl der Vermerk auf dem Erstdruck (1802), vor allem aber auch die im Vergleich zu den beiden anderen Konzerten schlichte Orchesterbegleitung hin. Das reizende, sehr unbeschwert daher kommende,  dreisätzige Konzert atmet noch etwas den Geist des sich auflösenden friderizianischen Musikgeschmacks, der in Schloss Rheinsberg auch unter Prinz Heinrich noch präsent war. Friedrich der Große schenkte das Schloss nach der Thronbesteigung und seinem Umzug nach Berlin seinem Bruder Heinrich. In Burkhard Nadolnys Biographie über Prinz Louis Ferdinand, dem Lieblingsneffen Heinrichs, der ein von Beethoven außerordentlich geschätzter Pianist war, lesen wir: Prinz Heinrich unterhielt eine gute Kapelle. Für ihn  hörte zwar die Musik bei Gluck auf, und er empfand bereits Mozart als einen „höllischen Spektakel“, aber er redete Louis nicht drein, wenn er jetzt Beethoven und Haydn probte.

Der 1. Satz, Allegro, der dominierende Teil des Konzerts, ist in der klassischen Konzertsatzform angelegt und erinnert zunächst an das G-Dur-Flötenkonzert von Mozart, in der Durchführung auch an Quantz. Nach einer ausgedehnten Exposition des Orchesters, die das Hauptthema mehrfach wiederholt, übernimmt die Flöte nach dem Muster des Konzertsatzes die Führung, wobei auch dem Orchester, das mit Flöten und Hörnern verstärkt ist, eigene Teile einer Durchführung überlassen werden.Der zweite Satz, eine Romance, ist ein empfindsames Stück mit einer lieblichen Flötenmelodie. Auch hier ist das Vorbild Mozart deutlich hörbar. Das abschließende Rondo enthält ein gefälliges musikantisches Thema im 6/8-Takt, das gutgelaunt durch den Satz führt. Die jeweiligen Zwischenspiele sind ganz auf die Flöte zugeschnitten. Eine Besonderheit ist ein elegisches Zwischenspiel der Flöte, das gleich zweimal vorkommt und wie ein kontrastierender Seitensatz wirkt.Zu den wichtigsten Aufgaben des Konzertunternehmers Schneider in Berlin gehörte die Gestaltung der Programme der streng strukturierten Divertissements, wie die Konzerte genannt wurden und denen die Kritik eine hohe Qualität bescheinigte. Diese Divertissements beinhalteten jeweils eigens zu diesem Zweck geschriebene Solokonzerte. Schneider komponierte schnell, solide und zweckgebunden, blieb seinem Stil treu, ohne Ambitionen ein Neuerer zu werden. Das Orchester bestand aus ehemaligen Musikern der Hofkapelle und Dilettanten, die aus sogenannten Übungsakademien hinzugezogen wurden und für die Mitwirkung bezahlten.  Erwähnenswert ist hierbei die soziale Ader Schneiders, der mit seinen Unternehmungen auch dafür sorgte, dass seine in Not geratenen Musikerkollegen davon profitieren konnten. Es kamen virtuose Konzerte von Berliner Komponisten oder komponierenden Berliner Musikern zur Aufführung, zu denen auch die beiden Flötenkonzerte op. 53 und op. 63 gehört haben dürften.

Das Flötenkonzert a-moll op.53 hat Schneider seinem Kollegen Schrökk gewidmet, der den Titel „Musiker seiner königlichen Majestät von Preußen“ trug und wohl auch der Solist bei der Aufführung war. Auf dem Deckblatt des Erstdrucks, der in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien, ist handschriftlich die Jahreszahl 1811 vermerkt, was darauf hinweist, dass das Konzert noch vor der Neugründung der Königlich Preußischen Kapelle entstanden sein dürfte und somit in eben jene Zeit Schneiders fällt, in der er vor allem als Konzertveranstalter, Komponist und Lehrer tätig war. Das dreisätzige Werk entspricht dem klassischen Schema des Instrumentalkonzerts. Der erste Satz steht in einer Konzertsatzform mit reichlich Gelegenheit für den Solisten, seine Virtuosität auszuleben. Das kantable Adagio in der Dur-Parallele bezaubert mit einem lieblich zarten Thema, das der Flöte alle Möglichkeiten bietet, das Klangspektrum des Instruments auszuloten.  Das abschließende Rondo gibt dem Solisten in den Couplés reichlich Gelegenheit zu brillieren und präsentiert damit exakt den Typus von Konzert, der beim Berliner Publikum gewünscht war. 

Das Orchester des 1812 in Leipzig gedruckten Konzerts e-moll op.63 ist im Vergleich zum Konzert op.53, zusätzlich zur doppelten Besetzung von Oboen, Fagotten und Hörnern, mit zwei Trompeten und Pauken verstärkt. Schneider stellt hier seine Fähigkeiten unter Beweis, ein Konzert zu orchestrieren und die Bläser wirkungsvoll einzusetzen. Der ausgedehnte, fast zwanzig Minuten dauernde erste Satz Allegro maestoso steht in einer etwas freier gestalteten Konzertsatzform. Nach der dramatischen Orchesterexposition mit einem abrupt kontrastierenden elegischen Wechsel in die Überleitung zum Seitensatz, werden die Motive von der Flöte fantasievoll variiert, neue Themen eingeführt und virtuos präsentiert. Schneider versteht es hervorragend, dramatische und elegische Elemente kontrastreich zu verbinden. Das Thema im Adagio ist von beseelter Schönheit, die dem Wesen der Flöte vollkommen entspricht. Die sanfte Begleitung wird nur durch gelegentliche kontrastierende Einwürfe des Orchesters unterbrochen, ehe es wieder an die Flöte abgibt, die das Thema variiert und schließlich vom Orchester mit einem letzten Einwurf auf die Dominante geführt wird, bevor es attacca in den letzten Satz übergeht. Formal haben wir auch hier ein Rondo, die am häufigsten verwendete Form, im  Schlusssatz des Instrumentalkonzerts.                                                                

  Wolfgang Kossack

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